Weil unsere Gesellschaft immer älter wird, gibt es auch immer mehr Demenzkranke. Die sehen die Welt etwas anders - und laufen auch gerne mal weg. Das Fritz-Rupprecht-Heim in Fürth hat eine eigene Methode entwickelt, um die Bewohner davon abzuhalten.
Die Scheinbushaltestelle kann also helfen, die Problematik zu lösen – mit minimaler Gefahr für die Bewohnerinnen und Bewohner und auch mit wenig Arbeit für das Personal. Aber sie ist umstritten. Menschen mit Demenz, die im Heim wohnen, sind verwirrt. Und mit der Haltestelle gaukeln ihnen die Heimverantwortlichen vor, sie hätten die Möglichkeit, selbstbestimmt dorthin zu fahren, wohin sie möchten. Genau deshalb gibt es auch Kritik am Konzept der Scheinhaltestelle. Wegen der Lüge, die die Attrappe darstellt - und weil durch das Warten ohne Ende und letztlich ohne Zweck die dementen Menschen noch nervöser werden können, sagen die Kritiker.
Die Kritiker dürfen dann gerne die Suchaktion unterstützen wenn es mal wieder heißt: Bewohner vermisst.
Der Polizeihubschrauber ist oft nur die Spitze des Eisbergs, "vermisste Person" bedeutet auch gerne mal Wandertag für sämtliche Hilfsorganisationen in der Gegend. Je nachdem, wie es den Leuten geht (Demenzpatienten vergessen auch gerne mal Essen und Trinken) und wie lange sie vermisst sind, ist das Ergebnis für den Aufwand dann auch nicht immer ein positives.
Wenn man die Leute mit einer Fake-Bushaltestelle mit wenig Aufwand und zwanglos vor einem Teil der Konsequenzen ihrer Krankheit schützen kann, ist das gut, denn die Alternativen sind in der Regel ein noch schlimmerer Eingriff in die Selbstbestimmung, denn das würde in der Praxis unseres kaputtgesparten und profitgetriebenen Gesundheitswesens sowas bedeuten wie Einsperren oder medikamentös Ruhigstellen.
Die Kritiker haben nicht einen Hauch der Ahnung, was Demenz ist und wie mit erkrankten umzugehen ist; in einer Welt in der sich jeder für einen Experten hält.
Laut Wikipedia kommt die Kritik eben nicht nur von fachfremden Personen. Nur weil der Artikel die Kritiker*innen nicht genauer benennt, müssen wir jetzt auch nicht anfangen unsere eigenes Bild auf sie zu projezieren.
Der Einfachheit halber habe ich den Absatz aus dem Wikipedia Artikel mal rauskopiert;
Das Konzept des Einsatzes von Scheinbushaltestellen in der Betreuung von Menschen mit Demenz ist in der Fachwelt umstritten. So stellt ein Kommentar in der Grundsatzstellungnahme Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen fest: „Wenn der Bus nicht kommt, werden Fragen laut wie «wann kommt der Bus endlich». Der Kranke wird eher nervös als ruhig“. Der Mensch mit Demenz werde „in seiner Krankheit nicht ernst genommen“. Steige der Pflegende darauf ein, verfestige er das Wahnerleben des Demenzkranken, verfehle dabei den Echtheits- und Wahrhaftigkeitsanspruch von Carl Rogers. Das Therapieziel „Ruhe“ entlaste nur die Pflegepersonen, verfehle aber einen positiven Effekt für den Betroffenen, für den Warten zum Zweck deklariert werde.[5]
Die Kritiker dürfen dann gerne die Suchaktion unterstützen wenn es mal wieder heißt: Bewohner vermisst.
Das können die wahrscheinlich nicht, weil sie schon der Gedanke, den Bewohner möglicherweise tot oder halbtot in seiner Scheiße liegend zu finden, schwerstens traumatisiert. Außerdem ist die Alarmierung zu einer solchen Suchaktion für die Mitwirkenden in der Regel ein sehr plötzlicher und unerwarteter Eingriff in die Selbstbestimmung, das geht also gar nicht.
Es ist auch möglich DInge zu kritisieren ohne ihre Abschaffung zu fordern. EIne Kritik am Bestehenden kann eine sehr gute Grundlage sein um etwas zu verbessern oder eine bessere Alternative zu finden.
Irgendwie eine schöne Vorstellung, dass alle, die im Internet über den mangelnden ÖPNV bei sich in der Gegend schreien, einfach in so einer Demenz-Wohngruppe leben und auf die Fake-Bushaltestelle reinfallen
So neu ist diese Methode gar nicht, ich hab schon vor etlichen Jahren derartiges in den Medien gefunden. Ich fan schon damals diese Idee praktisch und sinnvoll, das gilt auch heute noch. Dass es damit auch Probleme geben kann, inkl. die angesprochene Verstärkung von Verwirrtheit, streite ich dabei nicht ab. Womöglich hat man manchmal nur die Wahl zwischen verschiedenen Übeln und Unanehmlichkeiten, und muss dabei abwägen, welche schwerer wiegen würde und damit verhindert werden muss. Was also ist problematischer? Verwirrte Patienten an einer Scheinhaltestell, welche ggf. noch mit Kameras überwacht wird, so dass die Patienten schnell und weitgehend gesund zurück begleitet werden können? Oder unauffindbare Patienten im unbekannten gesundheitlichen Zustand, welche nach ungewisser Zeit wie auch immer irgendwo aufgefunden werden und mit diversen Rettungsmitteln evtl. noch intensivmedizinische Behandlung müssen und schwer traumatisiert zurück kehren?
Ich mag mich aktuell auch manchmal nicht, wenn ich irgendwie verhindern muss, dass meine Mutter unkontrolliert aufsteht, einen Schritt macht und mein nächster Schritt dann der Notruf wäre, mit der Hoffnung, dass die kaputten Knochen nochmal irgendwie zusammen wachsen und nicht noch anderes hinüber ist.