Straftaten von rechts: Viele rechte Morde nicht erfasst
Straftaten von rechts: Viele rechte Morde nicht erfasst
Seit 1990 wurden 87 Tötungsdelikte offiziell als rechtsmotiviert anerkannt. Die Liste sei unvollständig, kritisieren die Linke und Opferverbände.
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„Diese Diskrepanz ist leider seit Jahren nicht geringer geworden“, sagt Kleffner. „Die aktuelle Antwort der Bundesregierung zeigt das dramatische Ausmaß der Untererfassung, wenn es um die tödliche Dimension von rassistisch, antisemitisch und rechts motivierter Gewalt seit 1990 geht.“ Viele Angehörige und Hinterbliebene fänden die willkürliche Anerkennungspraxis völlig unverständlich, sagt Kleffner. Sie nennt etwa die inzwischen 90-jährige Mutter von Alexander Selchow, die seit drei Jahrzehnten um Anerkennung kämpfe. Selchow wurde in der Silvesternacht auf den 1. Januar 1991 bei Göttingen von Neonazis aus dem Umfeld von Thorsten Heise ermordet.
Der Mord an Selchow fehlt auf der Liste der Bundesregierung ebenso wie der an Rolf Baginski. Dieser wurde im thüringischen Nordhausen im November 1991 durch einen Neonazi getötet, der dann in Untersuchungshaft durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als V-Mann im Umfeld des NSU-Unterstützer-Netzwerks angeworben wurde.
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Insgesamt kritisiert Kleffner die uneinheitliche Anerkennungspraxis. Das führe etwa dazu, dass zwei rechte Taten in der Pandemie – in Senzig und Idar-Oberstein – „von den jeweiligen Landeskriminalämtern völlig unterschiedlich bewertet werden.“ In Idar-Oberstein hatte ein rechter Überzeugungstäter im September 2021 den jungen Tankstellenmitarbeiter Alex W. ermordet. Einsortiert ist der Fall aber nicht unter rechten Taten, sondern unter „sonstige Zuordnung“, einer Kategorie, die früher „nicht zuzuordnen“ hieß.
Das Urteil mit den Feststellungen zur Tatmotivation sei in der Klassifizierung nicht berücksichtigt worden, sagt Kleffner. „Letztendlich sorgt die PMK Kategorie 'nicht zuzuordnen’ dafür, dass Gewalttaten aus dem verschwörungsideologischen Spektrum entpolitisiert und entkontextualisiert werden.“
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